Verschwörungsfreaks hassen diesen Trick
99% von Verschwörungstheorien in unter 1 Minute entkräftet.
Nach dem Attentat auf Donald Trump kam es, wie es kommen musste: Auf Social Media explodierten Verschwörungsfantasien, dass alles ganz anders ist. Das Ganze war irgendwie geplant, gesteuert, inszeniert. Etwas stimmt nicht.
Mein persönlicher Favorit: Der Investmentriese BlackRock hat das Attentat auf Trump orchestriert. Warum? In einem Werbefilm von BlackRock aus dem Jahr 2022 ist der Attentäter Thomas Matthew Crooks zu sehen.
Krass! Das kann kein Zufall sein! Das ist der Beweis, dass etwas faul sein muss!
Hyperaktive Mustersuche, hypoaktives Denken
Nein, natürlich nicht. Der Werbefilm wurde an der ehemaligen Schule, die Crooks besuchte, gedreht. Er war unbezahlter Statist. Der Werbefilm bewarb Vorsorgeangebote für Lehrpersonen.
Das gibt es manchmal. Keine Verschwörung, kein Geheimplan. Zufall. Die Welt ist chaotisch.
Das Verschwörungsmindset akzeptiert das nicht als Antwort. Es kann keine Zufälle geben. Schlimme, unerwartete, schockierende Dinge können nicht einfach so passieren. Alles hängt mit allem zusammen. Alles ist kontrolliert. Nichts ist, wie es scheint.
Menschen, die dem Faszinosum der Verschwörungserzählungen verfallen (das können wir alle sein!), sind sehr gut darin, Muster zu erkennen. Sie sind aber weniger gut darin, metakognitiv zu reflektieren, ob die Muster, die sie erkennen, Sinn machen. Warum? Gute Geschichten übersteuern kritisches Denken. (Darum schreibe ich oben hypoaktives Denken: Es findet zu wenig davon statt.)
Das macht die Debatte zu Verschwörungstheorien richtig schwierig. Ich sage immer: Natürlich, es kann sein, dass die spezifische These, um die es geht, stimmt. Es kann in diesem Fall sein, dass BlackRock das Attentat auf Donald Trump orchestriert hat und den Attentäter aus irgendeinem Grund Jahre zuvor in einem Werbefilm auftreten liess, um die Tat irgendwie anzukündigen. Aber: Wir müssen prüfen, ob es gute Gründe gibt, um an diese These zu glauben. Lasst uns die konkreten Argumente und Belege möglichst präzise anschauen.
Bla bla bla. Mit diesem Nerd Shit hat man von Anfang an verloren. Gegen eine starke Geschichte — BlackRock steht hinter dem Attentat! — kommt man so nicht an. Emotion, Spektakel, Story schlagen rationale Analyse.
Um diskursiv mit Verschwörungstheorien mithalten zu können, ist darum eine andere Taktik nötig. Eine Irritation, die unmittelbar aufzeigt, dass in Tat und Wahrheit etwas mit der Verschwörungstheorie nicht stimmt. Eine Irritation, die das so offensichtlich macht, dass die Story, die soeben noch so spannend und so überzeugend klang, plötzlich als das gesehen wird, was sie ist: Humbug.
Verschwörungsdenken ist Abduktion…
OK, zuerst nochmals ein klein wenig Nerd Shit. Als Erklärung, damit der Rest Sinn macht.
Verschwörungstheorien sind im Wesentlicher ein sogenannter abduktiver Schluss. Abduktion machen wir dann, wenn wir versuchen, eine passende Erklärung für ein Ereignis zu finden. Klingt etwas abstrakt, machen und sehen wir aber jeden Tag. Dein Smartphone funktioniert nicht mehr? Du versuchst ganz intuitiv, eine passende Erklärung zu finden. Vielleicht ist der Akku leer. Das ist Abduktion. Du hast Magenkrämpfe und gehst zur Hausärztin? Sie versucht ebenfalls, die am besten passende Erklärung zu finden. Vielleicht ist es eine Lebensmittelvergiftung. Auch das ist Abduktion.
Formal gesehen geht es bei Abduktion darum, anhand eines Ereignisses eine Hypothese aufzustellen, die die Ursache und den Mechanismus, wie es zum Ereignis kam, möglichst gut erklärt.
Wenn ich behaupte, dass BlackRock das Attentat auf Donald Trump ausübte, ist das auch Abduktion. Keine besonders gute — aber es ist eine verdammt spannende Story.
… deren Plausibilität ganz einfach geprüft werden kann
Wenn wir uns direkt auf die Details der spannenden abduktiven Story einlassen, wird es wie gesagt schwierig — Story schlägt rationale Analyse. Darum müssen wir in einem ersten Schritt auf einer Meta-Ebene ansetzen und die Story an sich einer Irritation aussetzen. Wie? Indem wir fragen, wie plausibel sie ist.
Plausibilität ist das Ausmass der Kohärenz einer möglichen Erklärung mit dem bestehenden Wissen darüber, wie die Welt funktioniert. Im Falle von Verschwörungstheorien genügt oft eine einzige Frage, um aufzuzeigen, dass die Verschwörungstheorie im Vergleich zu anderen Erklärungen wenig plausibel ist. Wenn wir bei unserem Beispiel der BlackRock-Verschwörung bleiben, könnte die Frage in etwa so lauten:
Macht es Sinn, dass die Leute hinter der Verschwörung so massiv kompetent sind, um sie zu planen und umzusetzen — aber gleichzeitig derart inkompetent sind, dass sie banale Fehler machen, die allen sofort auffallen?
Das ware es schon. Das genügt, um aufzuzeigen, dass mit der Geschichte vielleicht etwas nicht stimmt. Der eklatante Widerspruch, der damit angesprochen wird — gleichzeitige totale Kompetenz und totale Inkompetenz — , dürfte auch bei Leuten, die felsenfest von der Verschwörungstheorie überzeugt sind, zumindest ein klein wenig konstruktiven Zweifel aufkommen lassen. Die Plausibilitäts-Story kann es mit der Verschwörungs-Story aufnehmen.
Weitere Beispiele
Tiefe Plausibilität bedeutet nicht, dass eine Hypothese falsch sein muss. Unser bestehendes Verständnis davon, wie die Realität funktioniert, kann unvollständig oder falsch sein. Tiefe Plausibilität bedeutet aber, dass wir etwas zurückhaltender mit der Hypothese, über die wir reden, umgehen sollten. Um den Plausibilitätscheck konstruktiv einzusetzen, ist die Frageform mit einem konkreten Plausbilitäts-Kritikpunkt geeignet. Der Kritikpunkt, der angesprochen wird, kann je nach Verschwörungstheorie variieren. Ein paar Beispiele:
A: 9/11 war ein Inside Job! Das World Trade Center 7 ist ganz komisch eingestürzt. Das war eine kontrollierte Sprengung.
B: Wenn 9/11 tatsächlich eine grosse Verschwörung war, warum haben sich die Verschwörer dann überhaupt die Mühe gemacht, WTC 7 zu sprengen? Flugzeuge krachten doch in die Twin Towers und das Pentagon? Was haben die Verschwörer von einem zusätzlich gesprengten WTC 7? Und: Würden die Verschwörer eine Sprengung wirklich so schlecht durchführen, dass du auf die Idee kommst, es müsse eine Sprengung gewesen sein?
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A: Die Corona-Pandemie war eine Plandemie! Kurz vor der Pandemie fand der “Event 201” statt: Eine Simulation am Johns Hopkins Center for Health Security, bei der das Szenario einer Coronavirus-Pandemie durchgespielt wurde.
B: Wenn die Corona-Pandemie tatsächlich im Rahmen einer weltweiten Mega-Verschwörung geplant und gesteuert wurde, warum sollten die Verschwörer kurz zuvor eine öffentliche Generalprobe abhalten? Warum eine globale Verschwörung vorab öffentlich ankündigen? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass solche Simulationen stattfanden, weil eben das Risiko einer Pandemie mit respiratorischen Viren hoch war?
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A: UFOs haben die Menschheit vor Tausenden von Jahren besucht. Es ist unmöglich, dass die Menschen im alten Ägypten ganz alleine Pyramiden bauen konnten.
B: Wenn technologisch hoch entwickelte Ausserirdische die Erde vor Tausenden von Jahren besucht haben, warum sind keinerlei technologische Artefakte oder Belege oder Indizien ihres Besuches vorhanden? Warum sollten Ausserirdische lediglich ein paar Steinblöcke so aufeinanderstapeln, dass es keine Beweise gibt, dass sie es taten — und dann für immer verschwinden? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass Menschen diese Sakralbauten selber mit grosser Arbeit und über längere Zeit erstellt haben?
Bringt das was?
Das ist nur anekdotisch, aber in meiner Erfahrung sind solche Plausibilitätschecks die mit Abstand beste Methode, um einen halbwegs konstruktiven Dialog über Verschwörungstheorien zu ermöglichen. Wenn man sich einfach lustig über so Sachen macht oder lediglich deklariert, dass sie falsch sind, kommt man nicht weit. Meinungen verhärten sich und die Stories wirken emotional stärker.
Die einzige Herausforderung bei Plausibilitätschecks: Sie sind ein Stück weit auch eine Kunst. Man muss im richtigen Moment die richtige Plausibilitäts-Frage stellen, damit das Verschwörungsdenken ausgebremst wird.
Einen universalen, immer gleich lautenden Plausibilitätscheck gibt es nicht. Ein guter Anfang ist aber die oben formulierte Frage zum Kompetenz-Widerspruch. Wie kann es sein, dass die Verschwörer derart hyper-kompetent sind, dass sie eine grossangelegte Verschwörung planen und umzusetzen können — aber gleichzeitig hyper-inkompetent sind, dass sie banale Fehler machen, die ausgerechnet du erkennst?
Auf die Antwort bin ich gespannt.