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BONUS: Ist alles immer nur Klassenkampf?
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BONUS: Ist alles immer nur Klassenkampf?

Gedanken über Klassenreduktionismus.

Alle Probleme der Welt lassen sich auf einen einzigen Konflikt zurückführen: Die Bourgeoisie beutet die Arbeiterschaft aus. Wollen wir gesellschaftliche Probleme lösen, müssen wir das Verhältnis von Kapital zu Arbeit verändern.

So in etwa lässt sich das analytische Schema einiger Leute im linken Spektrum zusammenfassen. Ist das ein präziser Blick auf die gesellschaftlichen Zustände? Wir denken, nein: Der Hyper-Fokus auf Klassenfragen mündet in Klassenreduktionismus. Darüber reden wir in der heutigen Bonusfolge.

Es gibt Formen der gesellschaftlichen Benachteiligung, es gibt gesellschaftliche Konfliktlinien, die nicht primär oder überhaupt nicht auf ökonomische Benachteiligung zurückzuführen sind. Ein Beispiel: Der oberste Gerichtshof der USA, durch Trump und die republikanische Partei in den Jahren zuvor stärker rechtskonservativ besetzt, hob 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung auf. Die Konsequenz war eine drastische Einschränkung des Rechtes und der Möglichkeiten für Schwangerschaftsabbruch in zahlreichen US-Bundesstaaten.

Diese Konfliktlinie ist nicht in erster Linie ökonomisch motiviert. Die Einschränkung der Rechte von Frauen ist die Folge rechtskonservativer bis fundamentalistisch religiöser Wertvorstellungen. Das gibt es auch. Die Welt ist vielschichtig, und gesellschaftliche Benachteiligung kann entsprechend intersektional sein.

Klassenreduktionismus ist letztlich ein anschaulicher Fall des Maslow’schen goldenen Hammers: Wenn das einzige Werkzeug, das wir benutzen, ein Hammer ist, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Immer überall nur Klassenkampf zu sehen, ist ein Denkfehler.

Natürlich kann es genauso ein Denkfehler sein, die materielle, ökonomische Ebene gänzlich auszublenden und nur auf Gruppennachteile zu fokussieren. Das ist beispielsweise die Grundlage für Phänomene wie Pinkwashing: Grosskonzerne geben sich sehr inklusiv und setzen in ihrer PR auf Diversität — beuten in Tat und Wahrheit aber just jene Minderheiten ökonomisch aus, die sie in ihrer PR zelebrieren.

Die Welt ist komplex. Wir müssen uns ihrer Komplexität annehmen und allzu einfache “One Size Fits All”-Lösungen vermeiden. Wer glaubt, mit einem einfachen Modell alles zu erklären, erklärt letztlich nichts.

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